Schigwitz schwingt sich mit kühnem Schwung auf den stoffbespannten Plastiksessel und lächelt mir entwaffnend zu. Schigwitz ist ein Idiot. Aber einer von der Sorte, die aus unerfindlichen Gründen weit in der Welt herumgekommen zu sein scheint und darüber verdammt fesselnd zu erzählen versteht. Und auch heute lehnt er sich weit vor, stützt beide Hände auf die Knie und beginnt augenzwinkernd

EINE STARKE GESCHICHTE


schigwitz1           ' Vor vierzehn Jahren war's, als ich mit der Tochter eines Brigadegenerals der neufunländischen Bergwacht in die Flitterwochen fahren wollte. Kaum hatte ich sie und ihren epileptischen Rottweiler auf dem Rücksitz verstaut, als mir jemand durch das festverschlossene Seitenfenster hindurch auf die Schulter tippte. Wie groß war meine Freude nach dem ersten, eiskalten Schrecken, als ich in dem Störenfried Emil Schundfuder wiedererkannte, den debilen Hausmeister meiner ehemaligen Tanzschule in Köln-Wahn, der mich aus den faltigen Tiefen seines Igelpelzmantels heraus leutselig angrinste.
Kein Wunder, daß ich meine Braut und ihren Hund, die Flitterwochen und das führerlos hinwegzuckelnde Auto vergaß und Arm in Arm mit Schundfuder zu der kleinen Kneipe in der Nähe des Gehsteigs wanderte. Dort erzählte er mir in seiner umständlichen Art, wie er auf einem Surfbrett, das er einem belgischen Trockenschaumhändler in Mailand gestohlen hatte, die abenteuerliche Flugreise über den Nordatlantik hinter sich gebracht hatte. Der Kneipenwirt bog sich vor Lachen und fischte ein ums andere Glas aus der schaumigen Brühe im Bierfaß, injizierte sich aus einer zurechtgefeilten Gießkanne holländischen Genever ins linke Ohr und lud uns ein, für ein paar Tage seine Gäste zu sein.
          Er besaß ein herrliches Biedermeierzelt und einen riesigen Biergarten, in dem wir es uns nach Herzenslust wohlsein ließen. Nebenbei erfuhren wir so auch , daß unser Wirt, übrigens ein nur etwa neunzig Zentimeter hoher Pygmäe mit Namen Kreitmeier, heimlich einen blühenden Schwarzhandel mit gebrauchten Nähmaschinenmotoren betrieb und damit sich und seine zwölfköpfige Familie glänzend über Wasser hielt.
schigwitz2Am dritten Tag unserer Biergartenseligkeit erzählte uns Kreitmeier von seinem Traum ,der ihn seit den düsteren Tagen des Zweiten Weltkrieges nächtens heimzusuchen pflegte und den er durch unsere lebhafte Ungezwungenheit zu verlieren trachtete, wenngleich er auch widersinnigerweise irgendwie an dem seltsamen Traume hing. Mit schwerer Zunge und umnebelten Augen beschwor er die Traumbilder seines Unterbewußtseins. Es ist müßig, all die seltsam düsteren Visionen nochmals zu wiederholen, bis auf eine einzige, die uns sehr gefiehl. Warum auch immer, sei dahingestellt. Sie zeigte stets einen goldenen Fasan namens Franz-Josef, der in anmutigen Umrundungen über dem Münchener Frauendom kreiste, in der linken Klauenhand ein Kruzifix und in der Rechten einen schwarzen Widerhaken aus geborstenen Flugzeugstreben.
          Sicherlich hätten wir unseren Aufenthalt bei Kreitmeier und seinen Träumen noch viel länger ausgedehnt, wenn nicht am Abend des elften Tages ein berittener Bote der Bierbrauerei auf einem halbseitig gelähmten Pfau zur Gartenpforte hereingetragen worden wäre und unsere schäumende Runde mit mehreren gezielten Rülpsern zum Verstummen gebracht hätte.
Dieser Bote nun, ein ehemaliger rumänischer Feldlazarettbesitzer, der im Krieg zweimal gefallen war und sich jedesmal das rechte Hüftgelenk gebrochen hatte, so daß er sich nun genötigt fühlte, sich als Brauereibote ein kleines Zubrot zu verdienen, dieser Bote also gab uns zu erkennen, daß die Brauerei unseren Gastgeber mittels einer einstweiligen Verfügung zwingen wollte, die Gastwirtschaft mit der vertraglich festgelegten Vehemenz weiterzuführen. Um seinen herben Worten Nachdruck zu verleihen, zog er aus den Innentaschen seiner Botenuniform eine umfangreiche Sammlung winziger österreichischer Schrumpfköpfe, deren Augen mit den Pfandsiegeln eines Salzburger Gerichtsvollziehers verklebt waren.
schigwitz3           So blieb uns denn nichts anderes übrig, als Abschied zu nehmen von dem lieben Kreitmeier, der uns mit Tränen in den Augen zur Straße geleitete und jedem von uns eine seiner Töchter zur Frau gab.
In derselben Stunde noch reisten wir mit einer dreistrahligen Geschirrspülmaschine der sowjetischen Nachrichtenlinie nach Moskau, wo ich einen ehemaligen Vermessungsbeamten, den Sohn eines schweizer Reedereibesitzers, kannte, der im Dachgeschoß des Kreml eine gutgehende chemische Reinigung für Damenbinden betrieb. Von ihm erhofften wir uns einige aufschlußreiche Neuigkeiten über jüngst in der Ukraine gesichtete Nachtblinde.
Doch dies ist eine andere Geschichte und ich werde sie auch ein andermal erzählen...'
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