DIE VERKNORRUNG DES HANDELSREISENDEN FRITZ KANEDER Doch sollte alles Glück sich in ein schlimmes Gegenteil kehren, denn eine unbegreifliche Laune der Zeit ließ den jungen Mann hinabtaumeln in Abgründe des Seins, von denen sich außer Gnomen und Waldschraten niemand etwas hätte träumen lassen können. Von einem Tag zum andern ver- kehrte sich Kaneders Welt in ein Spiegelbild des Irrsinns, in eine Farce der Vernunft, wurde zu einer ausweglosen Hölle des Geistes - und der arme Mensch mußte sich wiederfinden inmitten schillernder Eruptionen des Wahnsinns. Niemand hätte erklären können, was da vor sich gegangen war und w a r u m, keiner hätte auch nur die Spur einer Ahnung haben können von den Dingen , die Kaneder plötzlich überkamen. Nicht einmal er selbst konnte sich dazu äußern, denn eine erschreckende körperliche Veränderung versetzte ihn in unüberwindliche Starre. Stocksteif verharrte er, noch immer den Aktenkoffer in der Hand, auf der Stelle und rührte sich auch fortan nie mehr vom Fleck. Mehr noch geschah: seine ehemals makellose Haut überzog sich mit knorrigen Borken, wurde zu einer knarzigen Hülle -gleich der Rinde einer Eiche- Beine und Füße bildeten sich innerhalb weniger Stunden zu stengeldünnen Wurzelenden um und sein Kopf formte sich gar zum abgesägten Stumpf eines Blattbaumes. Wen wundert es da noch, daß er bald darauf seine Stelle ver1or , die junge Braut sich erschüttert von ihm abwandte und der Schwiegervater resigniert alle Hoffnungen begrub ? Starr, stumm und blind steht der junge Kaneder seither in einem stillen Winkel des Ostfriedhofs. In wenigen Jahren, wenn der unabänderliche Wechsel der Jahreszeiten mit Regen, Sonne, Schnee und Wind sein gnadenloses Werk beendet hat, wird von Kaneder nichts mehr übrig sein , was an eine einst so blühende Jugend erinnern könnte. Als Baum unter Bäumen wird er die achtlos Vorübergehenden wortlos mahnen. Mahnen ? |
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